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Atmosphäre einer mittelalterlichen Bauhütte

Foto: Christine Cüppers
Sein Lieblingsplatz im Dom ist dort oben: „Ganz nah dabei, weit genug weg und im Rücken gesichert”, beschreibt Alois Peitz.

Atmosphäre einer mittelalterlichen Bauhütte

Von: Christine Cüppers | 17. April 2024
Wer Erinnerungen an die Domrenovierung sucht, sollte unbedingt mit Alois Peitz sprechen. Der Architekt sprudelt nur so über von Fakten und Geschichten. Als Geschäftsführer der Dombau-Kommissionen hatte er große Verantwortung.

„Die Jahre der Renovierung waren die dichteste und zugleich schönste Zeit am Bau überhaupt.“ Wenn Prof. h. c. Alois Peitz auf das Thema angesprochen wird, ist er sofort im Element. Die Augen funkeln, Mimik und Gestik sprühen vor Begeisterung – und die Großbaustelle erwacht in den Erzählungen wieder zum Leben. Die Geschichte des am 3. Mai 1932 in Saarbrücken geborenen Peitz mit „seinem Dom“ begann 1966: Frisch auf die Stelle des Trierer Diözesanarchitekten berufen, wurden ihm vom damaligen Dompropst Josef Paulus die Geschäftsführung der großen und kleinen Dombaukommission sowie die Dokumentation der 1959 begonnenen Renovierung übertragen.

„Bis Ende 1974 hatte ich diese offizielle Nebentätigkeit, die mit der Übergabe von 290 DIN-A4-Ordnern mit sämtlichen Dokumenten zur Sanierung endete“, berichtet Peitz. Diese Ordner durchforstet der Fachmann vor dem Jubiläum fast täglich. Um den 50. Jahrestag der Wiederweihe ist Alois Peitz ein besonders gefragter Mann. Schließlich ist er einer der letzten Zeugen, die zum Ablauf der Renovierung, zum Einbau der neuen Schwalbennestorgel und zu Ereignissen in Zusammenhang mit dem Großprojekt unter Leitung der Architekten Gottfried Böhm und Nikolaus Rosiny Auskunft geben können.

„Ich habe natürlich nicht mehr alles im Kopf und bin froh, im Archiv auf meine Dokumentation zurückgreifen zu können“, sagt er dem „Paulinus“. Und er stellt unter Beweis, dass die Bauzeit mit all ihren Herausforderungen sehr präsent und abrufbar in der Erinnerung des heute 91-Jährigen ist. Da sei die Diskussion um eine vierte Krypta gewesen. Die damit vorgeschlagene Neubestattung aller verstorbenen Bischöfe habe hohe Wellen in der Baukommission geschlagen. „Ein Preisgericht hat am Ende empfohlen, diese Maßnahme nicht umzusetzen“, erinnert sich der langjährige Diözesanarchitekt.

Das Beste, was die Renovierung leistete

Vielfältig seien auch die Ideen zur Altargestaltung gewesen. Ganz im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils sollte der Altar ins Zentrum des römischen Zentralbaues rücken – ein Herzensanliegen von Bischof Bernhard Stein, der sich immer wieder dafür interessierte und stark machte. „Diese neue Mitte mit dem Altar ist das Beste, was die große Renovierung damals leistete – und das Schönste auch“, erklärt Peitz. Ein Altar, der „übrigens an den Treppenstufen beginnt und hinaufwächst bis zu der Erhöhung in der Mitte, auf der das Ziborium seinen Platz findet“.

Lachend kommt der 91-Jährige auf die „entscheidende“ Bischofspredigt an Pfingsten1973 zu sprechen: Ohne vorherige Rücksprache verkündete Bischof Stein, nach Jahren der Renovierung werde der Dom zum 1. Mai 1974 wiedereröffnet. „Alle Beteiligten haben das nach einer kurzen Schockstarre als Herausforderung gesehen und angenommen“, erzählt der Architekt, der sich nach eigener Aussage heute noch wundert, wie der Zeitplan habe eingehalten werden können.
Besonders zwischen November 1973 und April 1974 habe der Dom einer mittelalterlichen Bauhütte geglichen. „Da waren 300 Leute gleichzeitig an der Arbeit. Handwerker wurden aus dem Urlaub zurückgerufen. Es gab drei Wechselschichten mit Nachtarbeit. Und dann wurde mitten in der Bauphase noch die Orgel geliefert und eingebaut – eine hochsensible Phase, in der es auch kurz und heftig krachte. Aber Streitereien und Klagewellen wie an mancher Baustelle heute gab es nie.“

Na ja, einige Diskussionen wurden im Zuge der insgesamt 33 Millionen D-Mark teuren Baumaßnahme schon geführt: etwa die um den Verputz. Während Historiker die Kirchenwände unbedingt verputzen wollten, schlugen die Architekten das schlussendlich gewählte Schlämmen vor. Damit, so die Gegner, werde „Mord am Dom“ verübt und die Bischofskirche zur „größten Weinstube Deutschlands“. Die Entscheidung sei sehr knapp für die jetzige Lösung gefallen. „Und die Zeit, zumindest 50 Jahre bezeugen: Es war gut so.“

Engel schauen ins Büro des Dompropstes

Nicht verwirklicht werden konnte der Plan einer gemeinsamen Sakramentskapelle für Dom und Liebfrauenbasilika. Die wäre dort entstanden, wo heute die Engel-Säule im Hof zwischen beiden Kirchen steht. Die Bauleute waren enttäuscht. „Aus Protest schaute der Engel ins damalige Büro des Dompropstes. Bezahlt wurde die Säule von Architekten, Ingenieuren und Firmen“, erinnert sich Peitz.

Entsetzen rufen bei ihm immer noch die beiden tödlichen Unfälle hervor, die sich um die Baustelle ereigneten. Ein Arbeiter starb nach einem Sturz vom Baugerüst. Besonders tragisch war der Tod einer jungen Frau aus Bayern, die mit ihrem Mann auf Hochzeitsreise in Trier war. „Unglücklichste Umstände führten dazu, dass sie vor der Liebfrauenkirche von einem Eichenbalken erschlagen wurde. Der war für das Domdach bestimmt, riss vom Kran los und wirbelte auf unfassbarem Weg über die Dächer “, berichtet der Architekt.

Er erzählt von den „waghalsigen Gerüsten“, die zur Festigung der Gurtbögen eingebaut wurden, und vom spontanen Fest für die rund 28 Kinder der engagierten Künstler. „Die Größeren haben aktiv mitarbeiten dürfen. So hat einer eine Raupe auf der Altarinsel gestaltet.“

Spendierfreudige Ministerpräsidenten

Rückblickend auf den Eröffnungstag fällt Alois Peitz die „Spendierfreudigkeit der Ministerpräsidenten“ ein: Nach dem Gottesdienst im Zelt habe der rheinland-pfälzische Regierungschef Helmut Kohl spontan erklärt: „Wir Rheinland-Pfälzer schenken den Trierern die neue Orgel.“ Prompt versprach Saarlands Ministerpräsident Franz-Josef Röder: „Und wir schenken die Altarinsel.“ In Zahlen bedeutete dies: 940.000 Mark für die Orgel und 500.000 für den Altar. Während aus dem Saarland umgehend der Betrag überwiesen wurde, sei aus Mainz kein Geld geflossen. „Erst auf Nachfrage für das Buch über den Dom wurde 1980 das Versprechen in Erinnerung gerufen – und der Betrag beglichen“, erzählt Peitz.

Je mehr er in seinen in 14 Sachgebiete eingeteilten 290 Ordnern stöbert, desto präsenter werden die Ereignisse um das Großprojekt. Abschließend spricht Alois Peitz noch die zwischenmenschlichen Beziehungen an: „Das Miteinander war so wertvoll wie die Maßnahme selbst.“

  • Info
    Wer sich für bebilderte Anekdoten rund um die Domrenovierung interessiert, trifft Architekt Alois Peitz am 1. Mai zwischen 13 und 16.30 Uhr in der Remise des Museums am Dom. Was er dem Dom wünscht, sagt er im Video.

  • Sonderbeilage zum Jubiläum
    Weiter Artikel zum Jubiläum "50 Jahre Wiederweihe des Trierer Doms" gibt es in der Sonderbeilage des aktuellen "Paulinus" vom 21. April. Ein kostenloses und unverbindliches dreiwöchiges Probeabo gibt es per E-Mail an leserservice@paulinus-verlag.de. Ein digitales Probeabo für das ePaper gibt es zudem unter www.paulinus-verlag-epaper.de.




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